Das Pferd als Brücke zur Außenwelt für Autisten
Autismus wird von der Weltgesundheitsorganisation zu den tiefgreifenden Entwicklungsstörungen gerechnet. Die Symptome und die individuellen Ausprägungen des Autismus sind vielfältig, sie können von leichten Verhaltensproblemen an der Grenze der Unauffälligkeit (etwa als "Schüchternheit" verkannt) bis zur schweren geistigen Behinderung reichen.
Das Asperger-Syndrom ist eine Behinderung, die zum Autismusspektrum zählt. Ca. 0,5-2 % aller Menschen sind hiervon betroffen. Menschen mit AS haben meist eine normale bis hohe Intelligenz. Bis zum 3. Lebensjahr fallen diese Kinder kaum auf. Allen autistischen Behinderungen sind Beeinträchtigungen des Sozialverhaltens gemeinsam: Schwierigkeiten, mit anderen Menschen zu sprechen, Gesagtes richtig zu interpretieren, Mimik und Körpersprache einzusetzen und zu verstehen. Des Weiteren fällt es Autisten schwer, Emotionen zu erkennen und selbst auszudrücken. Dagegen können autistische Kinder durchaus Freude oder Schmerz empfinden und diese Gefühle auf ihre Art zum Ausdruck bringen.
Autismus ist eine Art zu sein, eine Wesensart. Autistische Menschen sind eben so. Autismus wird meist damit erklärt, dass das Gehirn autistischer Menschen anders ist als das Gehirn nicht autistischer Menschen, eine ungewöhnliche Verdrahtung, eine andere Art der Wahrehmungsverarbeitung. Die Ursachen sind jedoch noch nicht eindeutig geklärt. Auffällig ist jedoch, dass deutlich mehr Jungen als Mädchen betroffen sind. Autismus betrifft nicht nur Kinder. Autistische Kinder verschwinden nicht plötzlich, wenn sie 18 Jahre alt werden. Aus autistischen Kindern werden autistische Erwachsene.
In der Reittherapie bzw. dem Umgang mit dem Pferd kommt es sehr stark auf die Kommunikation zwischen dem Menschen und dem Tier an. Das Pferd übt seit jeher aufgrund seines beeindruckenden Auftretens eine gewisse Faszination auf den Menschen aus. Pferde sind in der Lage, auf Stimmungen und auf die Körpersprache ihres Gegenübers passend zu reagieren. Vor allem aber ihre vorbehaltlose Offenheit gegenüber dem Menschen und ihre Geduld machen sie zu einem idealen Therapiepartner. Bei schwer beziehungsgestörten Personen kann ein Tier den Rückzug ins "Ich" und somit in die soziale Isolation überwinden helfen.
Für Autisten ist es gerade die vorbehaltlose Akzeptanz, die neue Welten eröffnet. Die individuell angepassten Therapieeinheiten garantieren körperliche, geistige, emotionale und soziale Förderung. Je nach Intensität des Autismus oder dem Entwicklungsstand des Kindes beginnt die Kontaktaufnahme zum Pferd mit Berührungen. Durch die körperliche Nähe zum Tier wie Streicheln, sich Anlehen, Kuscheln und Liegen auf dem Pferd nehmen Autisten ihren eigenen Körper wahr.
In Zusammenarbeit mit dem Pferd lernen die Autisten, ihr eigenes Verhalten einzuschätzen, da die Tiere sensibel reagieren und ihnen sofort zeigen, welche Folgen ihr Umgang mit den Tieren hat. Dieses Feedback ist für Autisten immens wichtig. Die Autisten lernen somit im Dialog mit dem Pferd Stück für Stück ihre Reaktionen zu kontrollieren, was sich oft auf die Interaktion mit Menschen übertragen lässt.
Neben diesem psychischen Effekt wirkt die Reittherapie entspannend auf Autisten, die sonst Schwierigkeiten haben, sich körperlich locker zu machen. Da Autismus von Mensch zu Mensch unterschiedlich ausgeprägt sein kann, lassen sich gerade bei Kindern kaum allgemeine Aussagen zum individuellen Entwicklungspotential machen.